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Silke: „Auf einmal steht das Leben still“

Vor mehr als 25 Jahren kämpfte Silke aus der Region Hannover gegen Blutkrebs. Ihr Schicksal gab 1996 den Anstoß, in Niedersachsens Landeshauptstadt eine Datei für Knochenmark- und Stammzellspender ins Leben zu rufen – der Grundstein für das heutige NKR. Silke hat den Kampf gegen die Krankheit damals gewonnen. Die heute 47-Jährige hat sich in vier Abschnitten für uns an diese Zeit erinnert, um anderen Blutkrebspatienten Hoffnung auf Heilung zu schenken. Außerdem ist es ihr eine Herzensangelegenheit, Menschen für die Typisierung zu motivieren.

Silke vor der Krankheit

„Das Leben ist eine der schwierigsten Aufgaben – mit all seinen Päckchen. Da gibt es Menschen, denen scheint einfach alles leicht zu gelingen. Es funktioniert einfach. Jedoch war mir das nicht vergönnt. Auf einmal steht das Leben still. Ich dachte, so etwas passiert nur anderen Menschen. Oder vielleicht habe ich noch nicht einmal so weit gedacht, denn mit 22 Jahren gehört dieses Thema einfach nicht in den Alltag. Nun bist Du auf der anderen Seite und bekommst die Diagnose Krebs. Mitten im Leben wirst Du einfach herausgerissen, gehörst nicht mehr dazu, weil Du nicht mehr funktionierst. Und doch dreht sich die Welt weiter – aber nur noch für die anderen. Du hast nun eine neue Aufgabe: Überleben. Nicht mehr ‚Was koche ich morgen?‘ oder ‚Wann treffe ich mich zum Shoppen?‘ oder ‚Ich muss noch einen Frisörtermin machen!‘.

Ich bekam im Mai 1996 mit 22 Jahren die Diagnose Leukämie. Mir ging es schon eine ganze Weile nicht gut, ich war müde und schlapp, hatte blaue Flecken am Körper.

Zusammen mit ihrer Oma

Dann ging alles ganz schnell: Krankenhaus, onkologische Station, Isolation und die erste Chemo. Ich kam in ein Zimmer mit zwei gleichaltrigen Mädchen. Es begann ein kleiner Wettkampf, bei wem wohl die Haare am längsten erhalten bleiben. Das ist wahrscheinlich das Thema, mit dem man sich vielleicht vor allem als Frau zuerst beschäftigt. Bei mir waren die Haare zuerst weg.

Sieben Tage über 24 Stunden Chemo: Der Anfang lief so schlecht und die Nebenwirkungen waren so stark, dass man mich danach nach Hause schickte, um mich etwas erholen zu können. Ich war nicht mehr therapierbar zu der Zeit – Mundentzündung, Übelkeit, Pilze in der Lunge, ein psychisches Wrack. Ich durfte zu Hause kurz Luft holen, bevor die nächsten Chemoblöcke begannen.

Leider war nun auch schon klar, dass ich dringend einen Stammzellspender finden muss. Das Warten auf die Nachricht, dass sich ein ‚genetischer Zwilling‘ in der Knochenmarkspenderdatei gefunden habe, begann. Meine Eltern, Familie und Freunde litten in dieser ganzen Zeit so wahnsinnig. Es gab so viele tolle Menschen an unserer Seite. Diejenigen, die mich aufpäppelten, so dass ich nun voller Mut und Kraft wieder ins Krankenhaus zurück ging und den Kampf dort aufnahm. Gleichzeitig begannen zwei liebe Nachbarinnen damit, die erste Typisierungsaktion zusammen mit Frau Dr. Robin-Winn und damals noch der Blutbank der MHH zu planen.

Riesige Hilfsbereitschaft für Silke

Viele Menschen ließen sich testen und eine Aktion nach der anderen wurde ins Leben gerufen. Im folgenden halben Jahr wurden 6.000 Menschen typisiert und viele Spenden wurden gesammelt, da die Auswertungen der Proben viel Geld kosten. Ich selbst war die meiste Zeit im Krankenhaus und habe abends immer auf den Anruf gewartet. Ich war jedes Mal gespannt, wie die Aktionen gelaufen sind. Es gab so unendlich viele Zeitungsartikel damals – auch das Fernsehen war bei mir im Krankenhaus.

Noch heute bin ich überwältigt über die vielen Menschen, die sich damals testen ließen und gespendet haben. Ich bin meinen beiden Nachbarinnen furchtbar dankbar. Sie haben voller Enthusiasmus so viel organisiert und Zeit eingesetzt, um mich und meine Familie zu unterstützen. Ich danke den vielen Menschen, die bei den Typisierungsaktionen in jeglicher Art und Weise geholfen haben. Nicht zuletzt meiner Mutter und meinen Freunden, die IMMER an meiner Seite waren und mit mir geweint und gelacht, stundenlang gesprochen oder einfach nur gemeinsam mit mir geschwiegen haben. Und ich danke auch Tanja, einer meiner Mitpatientinnen, mit der sich damals eine ganz besondere Freundschaft entwickelt hat. Wir haben vom ersten Tag an im Krankenhaus Seite an Seite gekämpft, uns oft die Hände gehalten und so manchen Blödsinn dort angestellt. Ich musste sie ein Jahr nach unserem Kennenlernen zu ihrem Grab mitbegleiten. Sie hat für immer einen Platz in meinem Herzen!

Das ist Silke heute

So schwer die Zeiten auch sind, sie haben immer auch gute Seiten. So war es zum Beispiel damals mit der Entstehung des NKR. Frau Dr. Robin-Winn hatte die Idee, das Register in Hannover zu gründen, und heute darf man auf über 25 sehr erfolgreiche Jahre zurückschauen, in denen so vielen Menschen geholfen werden konnte. Ich konnte keinen genetischen Zwilling finden und wurde deshalb mit meinem eigenen Knochenmark therapiert. Das war meine einzige Chance. Ich hatte großes Glück, dass ich es auf diesem Wege geschafft habe.

Heute lebe ich gesund und glücklich zusammen mit meiner Tochter, Hund und Katze auf dem Lande. Mein damaliger Weg hat mich sicher auch verändert. Das Leben ist tatsächlich endlich, und mit diesem Wissen durch das Leben zu gehen, ändert so manchen Blickwinkel. Damals habe ich lange gebraucht, um wieder ins Leben zurück zu finden. Ein Freund sagte damals, dass ich erst zurück bin, wenn ich wieder über das Wetter schimpfen könne. Auch das schaffe ich heute wieder!

Für Silke wurde vor mehr als 25 Jahren kein „genetischer Zwilling“ gefunden. Zum Glück konnte sie den Blutkrebs trotzdem besiegen. Damals war die Anzahl der registrierten Stammzellspender sehr gering. Heute sind weltweit fast 40 Millionen Menschen registriert – angesichts der Weltbevölkerung von fast 8 Milliarden Menschen ist diese Zahl noch immer viel zu klein. Trotzdem wird für 90 Prozent der Betroffenen in Deutschland ein „Match“ bei der Spendersuche gefunden. Dies bedeutet aber auch, dass für jeden zehnten Patienten diese Suche erfolglos ist. Diese Lücke können wir nur gemeinsam schließen. Daher lautet Silkes und unsere Bitte: Lass Dich typisieren! Mit unserem Spender-Check machst Du den ersten Schritt auf dem Weg zum Lebensretter. Hier erfährst Du mehr.

Fotos: privat