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Heinz Glauche: „Ich sagte mir: Für ihn musst du am Leben bleiben.“

Erinnern Sie sich noch an den Augenblick der Diagnose „Leukämie“?

„Es war der 13. Februar 2008. Seit Monaten klagte ich schon über Müdigkeit, Schmerzen, das Treppensteigen fiel mir schwer. Nach einem Bluttest rief mich mein Hausarzt an und sagte: ‚Da stimmt was nicht…’ Mir wurde dann drei Tage später im Krankenhaus Knochenmark entnommen – und dann fiel dieser Satz: ‚Sie haben Leukämie…’“

Was ging da in Ihnen vor?

„Ich habe von Anfang an daran geglaubt, dass ich es schaffe. Ich wollte kämpfen – für meine Frau, für meinen Sohn und für mich. Und für meine Eltern. Ich wollte es ihnen nicht antun, dass ihr Sohn einfach so die Welt verlässt.“

Wie haben Sie es Ihrer Frau gesagt?

„Sie war im Urlaub. Mein Sohn hat es ihr gesagt. Sie kam sofort nach Hause.“

Wie begann die Therapie?

„In der Medizinischen Hochschule Hannover bekam ich zwei Chemotherapien. Beide schlugen nicht an. Die Ärzte sagten: ‚Sie brauchen einen Stammzellspender.’“

Wie verlief die Suche?

„Meine Freunde vom Tennisverein haben zusammen mit dem NKR eine Typisierungsaktion gestartet. Ich habe gespürt, dass es meinen Freunden sehr wehgetan hat, dass da ein Mensch ist, der sehnsüchtig auf lebensrettende Hilfe wartet. Es war überwältigend.“

Was hat Sie am stärksten motiviert in dieser schweren Zeit?

„Neben Familie und Freunde gab es da noch einen ganz besonderen Menschen, der noch gar nicht auf der Welt war. Ich erhielt die Nachricht, dass meine Schwiegertochter schwanger ist. Wissen Sie, als ich ein Ultraschall-Foto von meinem Enkelsohn sah, sagte ich mir: ‚Für ihn musst du am Leben bleiben’.“

Wie erhielten Sie die Nachricht, dass ein Spender gefunden wurde?

„Es war der 25. Mai. Ich saß vormittags mit meiner Frau in der Küche, ich durfte ab und zu mit Mundschutz die Klinik verlassen. Da klingelte das Telefon. Jemand sagte: ‚Herr Glauche, wir haben einen Spender…’ Ich nahm meine Frau in den Arm, und wir weinten.“

Und dann kam es zur Transplantation der Stammzellen…

„Ja, das war 17 Tage später. Meine Frau war bei mir. Es dauerte eineinhalb Stunden, das ist nicht viel anders als bei einer Bluttransfusion. Ich schlief ein, und dann geschah etwas, dass ich nie in meinem Leben vergessen werde.“

Erzählen Sie es uns…

„Ich träumte: Die Tür ging auf, und es kamen ein sehr großer, dunkelhaariger Mann und eine kleine Frau, die aussah wie eine Inderin, herein. Drei Jahre später traf ich meinen Spender, meinen Lebensretter. Einen sehr großen, dunkelhaarigen Mann… Ich erzählte von meinem Traum. Und er sagte: Die kleine Frau sei die Krankenschwester gewesen, die ihm die Stammzellen entnommen hat. Und sie sei aus Westindien gewesen…“

Ging es Ihnen sofort nach der Transplantation wieder gut?

„Die ersten fünf Tage waren eine einzige Krise, aber am 6. Tag spürte ich: Jetzt geht’s los! Ich konnte frei atmen, die Schmerzen verschwanden. Ich merkte, wie die Kraft in meinen Körper zurückkehrte.“

Vier Jahre später trafen Sie ihren Lebensretter…

„Er kam mit seiner Frau aus London. Wir haben uns am Flughafen umarmt. Ich sagte zu ihm: ‚Ich habe dich in mir, aber ich bin nicht in dir.’ Er entgegnete: ‚Du bist mein Bruder.’ Er hatte sich mit 25 Jahren für einen kleinen an Blutkrebs erkrankten Jungen in seiner Heimatstadt typisieren lassen. Ihm konnte er nicht helfen, die Stammzellen passten nicht. 15 Jahre später wurde er dann zu meinem Lebensretter…“

Haben Sie Ihr Leben geändert?

„Ja, vor allem in einem Punkt. Auch, wenn es sich jetzt hart anhört: Aber ich habe mich resolut von Menschen getrennt, die mir nicht gut getan oder mich schlecht behandelt haben. Es hat geschmerzt, aber es musste sein, um mein neues Leben unbelastet genießen zu können.“

Wenn Sie zurückschauen, was ist bei Ihnen in Hinblick auf die Hilfe in jener Zeit besonders haften geblieben?

„Vieles, aber eines macht mich sehr glücklich. Bei der Typisierungsaktion meiner Tennisfreunde damals kamen 150 Menschen. Und bis heute konnte dadurch drei anderen an Blutkrebs erkrankten Menschen irgendwo auf dieser Welt geholfen werden. Mein Schicksal hat vielleicht sogar Leben gerettet. So konnte ich etwas zurückgeben.“